Kritik des Familismus

Donnerstag
23
März

Beginn: 18:30 Uhr
Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes
Vortrag von und mit Gisela Notz
Eine Veranstaltung der Antifaschistischen Gruppe Braunschweig (agb) in Zusammenarbeit mit dem Antifa-Referat des AStA der TU Braunschweig.

„Familismus“ ist nicht nur ein soziologischer Begriff, sondern vor allem eine Ideologie, die die bürgerliche Kleinfamilie als „naturgegebene“ Leitform des Zusammenlebens bezeichnet. Im Familismus nimmt die Familie, das heißt, die heterosexuelle, monogame Vater-Mutter-Kind-Familie eine die Existenz des Einzelnen (scheinbar) sichernde sowie den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang stützende Instanz ein. Sie unterstützt den Rückzug der Individuen ins „Private“ und schließt alle Menschen aus, die nicht zu einer Familie gehören.

Anhand eines Blicks in die Geschichte wird deutlich, dass die „Idealfamilie“ keinesfalls zu allen Zeiten die bürgerliche Kleinfamilie, wie wir sie heute kennen, war. Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es das mystifizierte „ganze Haus“, das ebenfalls von anderen Formen unterwandert war. Die Ideologie des Familismus bestand nach dessen Verfall weiter. Sie wurde in das 1949 verabschiedete Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland eingeschrieben und 1965 im Familiengesetzbuch für die DDR verankert.

In dieser Ideologie wird „die Familie“ als Keimzelle der Gesellschaft imaginiert und nimmt damit auch eine tragende Rolle im Nationalstaat ein. Ihren Höhepunkt erreichte sie mit der Mütter- und Familienideologie im Nazi-Faschismus. Im Vortrag wird ein Schwerpunkt auf neue Rechte Gruppierungen gelegt, die das klassische Familienbild mit der traditionellen Rollenverteilung entlang der Geschlechterlinien propagieren und davon abweichende Lebensentwürfe diskriminieren.

Im Anschluss bleibt Raum für Rückfragen und Diskussion.

Gisela Notz ist Sozialwissenschaftlerin und Historikerin. Ihre Arbeitsschwerpunkte bilden Arbeitsmarkt , Familien- und Sozialpolitik, Alternative Ökonomie sowie historische Frauenforschung. Sie lebt und arbeitet freiberuflich in Berlin. 2015 ist ihr Buch „Kritik des Familismus – Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes“ in der theorie.org-Reihe erschienen.

23. März 2017